Der Entwurf von Sozial- und Gleichstellungsminister Andreas Philippi (SPD) für eine bessere Frauenförderung im öffentlichen Dienst, das „Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz“ (NGG), wurde in der Berichterstattung von Kommunal-verbänden, der Industrie- und Handelskammer, der Landwirtschaftskammer und den Handwerksverbänden massiv kritisiert. Der Deutsche Gewerkschafts-bund (DGB) vertritt die die gegenteilige Position und fordert weitergehende Rechte der Gleichstellungsbeauftragten.

Viele Behauptungen in der Berichterstattung über Neuerungen sind bereits jetzt gelebte Praxis

In der Kritik steht vor allem die Verschärfung der Vorgabe, dass bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung die weibliche Kandidatin gegenüber männlichen Bewerbern den Vorzug genießen muss. Dies gilt nur wenn eine Unterrepräsentanz besteht. Das war bisher nicht verpflichtend formuliert. In vielen Kommunen ist dies aber bereits gelebte Praxis. Allerdings können die meisten Gleichstellungsbeauftragten an einer Hand abzählen, wie oft diese Situation in der Realität eintritt: Nach unserer Umfrage liegt der Wert unter 1%.

Außerdem darf die Gleichstellungsbeauftragte bei Unterrepräsentanz bereits jetzt eine zweite Ausschreibung oder eine Verlängerung verlangen: Auch hier liegt der Wert bei 1-2% der Verfahren im Jahr.

Nimmt die Kommune den Verfassungsauftrag ernst, sollte sich dies eigentlich in diesen wenigen Fällen von selbst verstehen. Von einer überbordenden Bürokratie können wir in der Praxis wirklich nicht sprechen.

Was ist für Kommunen wirklich neu im NGG:

  • Die Definition der strukturellen Benachteiligung von Frauen (§3 Abs. 8) als durchgängiges Prinzip im Gesetz führt zu Klarheit und stärkt den Gedanken der Frauenförderung. Denn noch immer sind Frauen struktureller Diskriminierung ausgesetzt- dies wird zu einem Bürokratieabbau führen, da eine zahlenmäßige Unterrepräsentanz von Männern nicht mehr berücksichtigt wird.
  • Die Zielsetzung dieses Gesetzes ist verpflichtend. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sorgen täglich dafür, dass Gleichstellung als Leitprinzip im Verwaltungshandeln gelebt wird. Gender Mainstreaming ist Grundsatz im Verwaltungshandeln. Dies entspricht den Vorgaben der Europäischen Union und dem Verfassungsauftrag.
  • Die Sorge- und Lohnarbeit müssen miteinander vereinbar sein und ArbeitgeberInnen müssen dafür die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Außerdem wurde Familienarbeit durch den Faktor Pflege ergänzt. Dies trägt der aktuellen gesellschaftlichen Situation Rechnung.
  • Die kommunalen Eigenbetriebe und selbstständig geführten Einrichtungen der Kommune werden einbezogen, da diese aus staatlichen Mittel finanziert werden und somit vom GG Art. 3 Abs.2 S. 2 mitgemeint sind. Dies ist eine verfassungsgemäße und notwendige Klarstellung.
  • Änderungen für den Gleichstellungsplan: Verlängerung des Berichtszeitraums von drei auf vier Jahre und Herausnahme von Männern als unterrepräsentiertes Geschlecht. Dies wird verbunden mit einer Wirkungskontrolle, da so die Ergebnisse in den nächsten Gleichstellungsplan miteinfließen können. Es handelt sich also um eine sinnvolle Änderung.
  • Die Pflicht zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung der Beurteilungsverfahren stärkt in besonderem Maße die hohe Relevanz des §33 GG im Verwaltungshandeln.
  • Wichtige Themen, die die Gleichstellung langfristig stärken, wie Mobile Arbeitsformen15 und gendergerechte Sprache §17, wurden mit aufgenommen. Es gibt keine konkreten Vorgaben zur geschlechtergerechten Sprache– dies lässt allen Verwaltungen Spielraum, um zielgruppenangemessen zu formulieren.
  • Das Leitprinzip Gleichberechtigung in jeglichem Verwaltungshandeln stärkt die Bedeutung der Aufgabe als Querschnittsaufgabe und entspricht dem Verfassungsauftrag.

Unsere Einschätzung aus der täglichen kommunalen Gleichstellungsarbeit

Das Gesetz bringt einige Klarstellungen, die dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes und der aktuellsten Rechtsprechung entsprechen. Dies gilt nun auch für die Tochterunternehmen, was überfällig war. Da es weiterhin keine Sanktionen gibt, hängt eine Veränderung in Richtung Gleichstellung vom Willen von Verwaltung und Politik vor Ort ab. Die kommunale Gleichstellungs-beauftragte kann weiterhin Vorschläge machen und Entscheidungen anmahnen – mehr nicht!
Die Berichterstattung betont einen bürokratischen Aufwand, der in der Praxis nicht zu erwarten ist.

 

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