Mehr als 80 Gleichstellungsbeauftragte nahmen am 13. Oktober 2021 an der Online-Landeskonferenz der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbüros Niedersachsen (LAG Gleichstellung) teil. Inhaltlicher Schwerpunkt der Tagung war die fachliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein geschlechtergerechter Haushalt zur Corona-Krisenbewältigung beitragen und wie es funktionieren kann, diesen innovativen Ansatz in den Kommunen umzusetzen. Als Expertin war Dr. Regina Frey eingeladen, Gründerin des Gender-Instituts für Gleichstellungsforschung (GIG) und von 2015 bis 2018 Leiterin der Geschäftsstelle zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung in die Landeskonferenz.

In ihrem Impulsvortrag machte Frau Dr. Frey deutlich, dass die Corona-Krise nicht nur schlaglichtartig weiterhin bestehende geschlechtsspezifische Ungleichheiten gezeigt hat, sie hat sie sogar verschärft. Um die verfassungsrechtlich garantierte Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu realisieren, ist es dringend erforderlich, auch einen Blick auf die Haushalts- und Finanzpolitik von Bund, Ländern und Kommunen zu richten. Gender Budgeting bzw. den geschlechtergerechten Haushalt beschreibt sie wie folgt: „Hier geht es um eine Strategie zu prüfen, welche Auswirkungen die Haushaltspolitik – insbesondere das Erheben und Ausgeben öffentlicher Gelder – auf die Gleichstellung von Frauen und Männern hat.“ Nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, ob finanzrelevante Entscheidungen geschlechterdiskriminierend oder geschlechtsneutral sind.  Ein sehr genaues Hinsehen ist erforderlich um Gendergerechtigkeit oder Ungerechtigkeit feststellen zu können. Bisher fehlt es vor allem an einer systematischen Analyse, wie sich die Haushalte gleichstellungspolitisch auswirken. Als Beispiel nannte sie die Konjunkturpakete, die in der Corona-Krise aufgelegt wurden. Sie wirkten keinesfalls geschlechtsneutral. Gefördert wurden vor allem Bereiche, deren finanziellen Effekte überproportional Männern zugute gekommen sind. Das zeigt, dass vermeintlich geschlechtsneutrale Bereiche nicht selten im Grunde Männerförderung sind. Nur, so Frau Dr. Frey: „Das spricht niemand so deutlich aus!“ Die Verteilung von Geld entfaltet jedoch sehr entscheidende gesellschaftspolitische Wirkungen. Diese Tatsache macht es  für die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nahezu zwingend, die Mittelverwendung einer systematischen Analyse zu unterziehen und dabei explizit auch die Wirkungen auf das Geschlecht in den Fokus zu nehmen.

Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmerinnen der Landeskonferenz erste praktische Ansätze in niedersächsischen Kommunen, einen geschlechtergerechten Haushalt zu implementieren. Deutlich herausgearbeitet wurde, dass es für die wirkliche Umsetzung von Gender Budgeting einer geschlechterbezogenen Bewertung sämtlicher Finanzen in allen Politikfeldern bedarf. Wenn Geschlechtergerechtigkeit in Politik und Verwaltung kein Randthema mehr ist, kann ein gut funktionierendes Zusammenspiel aller relevanten Akteur*innen die erfolgreiche Einführung einer geschlechtergerechten Haushaltsaufstellung befördern.

Die Landeskonferenz befasste sich darüber hinaus mit der spezifischen Problematik wohnungsloser Frauen. Einstimmig wurde der Beschluss gefasst, das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung aufzufordern, die finanzielle Förderung der Fachberatungsstelle „Unter uns – Beratungsstelle für Frauen“ in Braunschweig zu verstetigen und flächendeckend weitere Beratungsstellen mit Blick auf die besonderen Bedarfe von wohnungslosen Frauen im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten als überörtlicher Träger der Sozialhilfe zu fördern.

Aus dem Vorstand der LAG Gleichstellung schied Angelika Kruse, Landkreis Göttingen, aus. Als neues Mitglied wurde Julia Kögler, Landkreis Northeim, in den 10-köpfigen LAG-Vorstand gewählt.